Goodwood Revival
Zeitreise. Für Freunde des Historischen Motorsports schon lange ein Muß, zieht das Goodwood Revival in der englischen Grafschaft West Sussex im Süden Englands seit 1998 jährlich immer größere Scharen von Nostalgiefans aus ganz Europa und mittlerweile auch weltweit an. Wenn der Benzin-Adel um den „Earl of March“ traditionell im September die Uhr wieder und fünf Jahrzehnte zurückdreht, sind die begehrten Tickets schon Wochen vorher ausverkauft. Denn, auf dieser weltweit einzigartigen Veranstaltung trifft man nicht nur Rennfahrerlegenden wie Stirling Moss oder John Surtees, sondern eben auch auf deren Boliden, mit denen sie zu Legenden wurden. Der Goodwood Circuit, welcher im Zweiten Weltkrieg als Notlandeplatz für die Spitfire der Royal Air Force diente, war von 1948 bis 1966 Austragungsort zahlreicher Rennen und unter anderem auch Gastgeber der Formel 1.
Kaum hat man also sein profanes Fortbewegungsmittel auf dem Parkplatz abgestellt, findet man sich schlagartig in eben dieser faszinierenden Epoche wieder. Viel Tweed, Pettycoats, Pomade und Schiebermützen, Nylon und Perlonhemden, dazu der Geruch von Castrol 20W50 und verbranntem Gummi in der Luft. Für „musikalische“ Untermalung sorgt ein gerade in seinem Carport gestarteter Ferrari GTO, der seine Kolben für das anstehende Duell mit einer AC Cobra, einem Ford GT40 und einem Jaguar E-Type Lightweight schon einmal auf Temperatur bringt. Eine ausrangierte Lancaster beobachtet das Geschehen von oben. Wer bis zum Start noch etwas Zeit hat, schlendert durchs 1950er Tesco oder läßt sich in einem der zahlreichen Schönheitssalons noch einen zeitgenössischen Look verpassen. Denn abschätzige Blicke erntet hier allenfalls der praktische Festlandeuropäer, der sich mit Jack Wolfskin-Jacke und Trekking-Schuh auf das englische Wetter bestens vorbereitet hat.
Auf seine Kosten kommt der Besucher spätestens, wenn er sich durch die ca. 3.000 in vorderster Front abgestellten Zeitzeugen schlängelt. Hier haben deren Besitzer für ihr 60 Pfund-Tagesticket abgestellt, was mancher nur aus der „Classic Car“ kennt. Zwischen einem Talbot Lago und einem Alfa Romeo 1750 finden sich Preziosen, wie BMW 503, Lagonda M45 und O.S.C.A 1600 GT Fissore. Unschätzbare Werte.
Wenn man dann Zeuge wird, wie motorisierte Anlagewerte, teilweise grob fahrlässig, um den Parcours gehetzt werden, möchte man den Fahrer flehentlich daran erinnern, daß sein Bolide wahrscheinlich einer der letzten seiner Baureihe ist. Geschenkt wird sich nichts, schließlich handelt es sich um eine Rennveranstaltung und nicht um eine Blechparade! Während sich ölverschmierte Mechaniker im weißen Dunlop-Overall um die Blessuren der Fahrzeuge kümmern, werden im fahrereigenen Cateringzelt „War Room“ zwischen Einsatzplänen, Munitionskisten und Sandsäcken die Ergebnisse besprochen und Schuldige für den Feindkontakt gesucht.
Wer sich hat infizieren lassen und über die nötigen Mittel verfügt, kann sich bei der abschließenden Auktion seinen ganz persönlichen Traum erfüllen. Für alle anderen heißt es, nächstes Jahr wiederkommen, um wieder ein Teil dieses grotesken Theaterstück zu sein…